Wie KI das Vorstellungsgespräch ersetzt

Digitale Bewerbung per KI: Eine Bewerberin nimmt an einem asynchronen Video-Interview teil – ein Trend, der klassische Vorstellungsgespräche zunehmend ersetzt. Foto: Pormezz - stock.adobe.com

Die Zeiten des klassischen Bewerbungsgesprächs sind im Wandel. Immer mehr Unternehmen setzen auf das asynchrone Video-Interview, bei dem Künstliche Intelligenz (KI) eine zentrale Rolle spielt. Statt einem persönlichen Gespräch folgt nach der Bewerbung ein Link – ohne Gegenüber, aber mit Kamera und einem Algorithmus im Hintergrund.

Was auf den ersten Blick wie ein Fortschritt wirkt, wirft Fragen auf: Wie entscheidet die KI über Eignung? Und vor allem: Ist das Verfahren fair, transparent und für alle zugänglich?

Was ist ein asynchrones Video-Interview?

Beim asynchronen Bewerbungsgespräch handelt es sich um ein digitales Format, bei dem Bewerberinnen und Bewerber Interviewfragen per Video beantworten – ohne live stattfindendes Gespräch, ohne Gesprächspartner, oft automatisiert bewertet.

Ablauf eines KI-gestützten Interviews:

  • Versand eines Interview-Links per E-Mail, WhatsApp oder Karriereportal
  • Vorgabe standardisierter Fragen (z. B. Motivation, Berufswahl, Soft Skills)
  • Kurze Vorbereitungszeit (z. B. 30–60 Sekunden), danach startet die Kamera
  • Analyse durch KI-Software, häufig zusätzlich durch Human Resources Teams überprüft

70 % der Unternehmen in Deutschland planen laut aktuellen Umfragen, diese Form des Video-Recruitings in ihren Bewerbungsprozess zu integrieren – darunter große Namen wie L’Oréal, Lufthansa, Telekom oder auch mittelständische Betriebe.

Was bewertet die Künstliche Intelligenz im Interview?

Moderne KI-Systeme erfassen nicht nur das Gesagte, sondern auch nonverbale Signale. Die Kriterien sind vielfältig:

  • Sprache und Ausdrucksweise: Klarheit, Fachbegriffsnutzung, Vermeidung von Füllwörtern
  • Mimik & Körpersprache: Blickkontakt, Lächeln, Selbstsicherheit
  • Stimme: Tonlage, Überzeugungskraft, Emotionen
  • Wortwahl und Struktur: Aktive Formulierungen, Verständlichkeit, roter Faden

Diese Daten werden algorithmisch ausgewertet – und ergeben am Ende ein Profil, das über die nächste Bewerbungsrunde entscheiden kann.

Vorteile des asynchronen KI-Interviews

Trotz aller Skepsis bietet diese Methode auch Chancen:

  • Orts- und zeitunabhängige Durchführung
  • Kein Anfahrtsweg oder Zeitdruck durch Terminbindung
  • Bessere Vergleichbarkeit durch standardisierte Fragen
  • Möglichkeit zur Vorbereitung und Wiederholung

Gerade für Bewerbende, die unter Stress schlecht performen oder in Interviewsituationen nervös werden, kann das Verfahren eine faire Alternative darstellen – sofern es transparent und barrierefrei gestaltet ist.

Kritik und Herausforderungen

Kritisch wird diskutiert, ob diese Form der Vorauswahl wirklich objektiv ist. Denn:

  • Nicht jeder fühlt sich vor der Kamera wohl – etwa introvertierte Persönlichkeiten
  • Technikaffinität entscheidet mit über den Erfolg
  • Barrierefreiheit ist nicht immer gegeben: Menschen mit Behinderung, Sprachbarrieren oder sozialer Unsicherheit sind benachteiligt
  • Datenschutzrechtliche Fragen sind häufig ungeklärt

Datenschutz im KI-Interview

Das Thema Datenschutz spielt bei KI-basierten Auswahlverfahren eine zentrale Rolle. Nach DSGVO gilt:

  • Bewerbende müssen informiert werden, wie Daten wie Mimik, Stimme, Sprache verwendet werden
  • Speicherung und Verwendungszwecke müssen transparent offengelegt werden
  • Es besteht jederzeit ein Widerspruchsrecht

Ein verantwortungsbewusster Einsatz setzt also umfassende Aufklärung und die Möglichkeit zur Ablehnung voraus – ohne negative Folgen für die Bewerbung.

Praxis-Tipps für Bewerbende

Ein gutes Video-Interview lässt sich gezielt vorbereiten. Diese Punkte helfen dabei, souverän zu wirken:

  • Testlauf durchführen: Licht, Kamera, Ton prüfen
  • In die Kamera schauen statt auf den Bildschirm
  • Neutraler Hintergrund ohne Ablenkung
  • Klar sprechen, langsam und strukturiert
  • Natürlich bleiben, keine Rollen spielen
  • Kleidung wählen, die dem gewünschten Berufsbild entspricht
  • Vorbereitungszeit nutzen: Stichworte notieren, auf mögliche Fragen einstellen

Der Algorithmus entscheidet – aber nicht allein

Asynchrone Video-Interviews mit KI werden sich im Bewerbungsprozess weiter etablieren – besonders in größeren Unternehmen und im Ausbildungsbereich. Entscheidend ist, dass der Einsatz dieser Technologie verantwortungsvoll, transparent und fair erfolgt.

Gut vorbereitet kann das Video-Interview sogar ein Vorteil sein: Wer ruhig, klar und authentisch antwortet, präsentiert sich oft souveräner als im direkten Gespräch.