Arbeitszeitverkürzung: Was sagt das Gesetz dazu?

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In unserer Leistungsgesellschaft liegt der Fokus auf individueller Leistung, auf hohem Wettbewerb und beruflichem Erfolg. Wir sind dazu angehalten, ständig mehr zu leisten und zu erbringen und uns immer weiter zu verbessern. Die Arbeitszeit ist ein wesentliches Merkmal für diesen Leistungswillen („Er arbeitet bis nach Mitternacht!“) und auch für die Qualität von Arbeit: Sie definiert einerseits die Bezahlung und die Arbeitsbelastung und andererseits auch Möglichkeiten zum Ausgleich. Die Balance von beruflichen und privaten Belangen ist schließlich wichtig für die Zufriedenheit und die Leistungsfähigkeit von Erwerbstätigen und für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Doch diese betont leistungsorientierte Sichtweise steht immer öfter in der Kritik. Arbeitnehmer der Babyboomer-Generation und der Generation X schufteten in der Vergangenheit oft bis zum Anschlag für ihre Karriere und um finanzielles Wohlergehen zu sichern. Sie riskierten physische und psychische Folgen wie Tinnitus, Burnouts und Schlimmeres und vernachlässigten dabei oft auch ihr Privatleben. Ihre Folgegeneration im Erwerbsleben möchte es anders machen. Zwar möchte auch sie durchaus beruflich aufsteigen und sich in ihrer Arbeit selbst verwirklichen können, aber nicht um jeden Preis.

In einer verbesserten Work-Life-Balance sehen sie eine Möglichkeit, dies sinnvoll zu erreichen – und Arbeitszeitverkürzung könnte eine Maßnahme der Wahl sein. Für sie bedeutet Lebensqualität nicht zwangsläufig Anhäufung von Einkommen und Statussymbolen, sondern Erfüllung und Ausgeglichenheit, ein intaktes Familienleben und Raum für Freizeitaktivitäten. Davon kann auch der Arbeitgeber wiederum profitieren, denn gut erholte und zufriedene Arbeitnehmer sind motivierter und engagierter im Job – und damit auch produktiver.

Immer mehr Menschen entscheiden sich zudem ganz bewusst für kürzere Arbeitszeiten, um ihre Zeit anderen Dingen neben der Arbeit zu widmen, die für sie nicht minder relevant sind, oder um sich um Kinder und ältere Familienangehörige zu kümmern. Viele nutzen die Teilzeit auch, um sich beruflich fortzubilden oder um sich auf eine spätere Selbstständigkeit vorzubereiten.

Wann und wie Arbeitszeitverkürzung möglich wird

2021 waren 66,5 % aller Eltern mit Kindern unter sechs Jahren aktiv erwerbstätig – das besagt eine aktuelle Erhebung des Statistischen Bundesamtes. Während Väter überwiegend voll erwerbstätig blieben und nur 7,6 % von ihnen mit Beginn der Elternschaft in Teilzeit wechselten, gingen 71,9 % der Mütter einer Teilzeitbeschäftigung nach. Erst mit mehreren Kindern waren dann auch die Väter eher zur Teilzeit bereit.

Mütter machen häufiger berufliche Abstriche. Im Vergleich zu anderen Ländern nutzen sie in Deutschland jedoch die Teilzeitoption gern, um den beruflichen Anschluss nicht zu verlieren. Zudem haben sie die Perspektive, jederzeit wieder in die Vollzeitbeschäftigung zurückkehren zu können – das muss der Arbeitgeber gewährleisten.

Doch vieles ist im Umbruch: Immer mehr Väter möchten die Kindererziehung und -betreuung aktiver mitgestalten und ihren Partnerinnen gleichberechtigt beruflichen Erfolg ermöglichen. Und immer mehr Unternehmen gewöhnen sich daran, dass Väter in Elternzeit oder eben auch die Arbeitszeit bewusst verkürzen, um ihre Kinder heranwachsen zu sehen. Mit dem wachsenden Fachkräftemangel und dem hohen Konkurrenzdruck im Arbeitsmarkt haben sie zudem selbst großes Interesse daran, alle ihre Mitarbeiter langfristig an sich zu binden. Neben attraktiven Zusatzleistungen bieten sie immer öfter auch flexible Arbeitszeitmodelle mit Gleitarbeit, Stundenkonten und verkürzten Arbeitszeiten an, außerdem Angebote, die Eltern bei der Kinderbetreuung Entlastung bieten.

Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer ein Recht auf Arbeitszeitverkürzung, wenn dabei einige Grenzen und Bedingungen eingehalten werden und keine wichtigen betrieblichen Gründe dagegensprechen. So ist eine Verkürzung erst dann möglich, wenn ein Mitarbeiter bereits sechs Monate in seinem Unternehmen tätig war und wenn dieses mindestens 15 Beschäftigte hat. Der Wegfall von Arbeitskraft und -zeit soll ja nicht dazu führen, dass der Betrieb des Unternehmens nicht mehr möglich ist. Dem kann der Arbeitgeber jedoch auch selbst entgegenwirken, indem er von sich aus flexiblere Arbeitszeitmodelle ermöglicht und eine Vollzeitstelle alternativ auch mit zwei halben Stellen ausweist.

Die rechtliche Grundlage für diesen Anspruch liefert das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz, kurz: TzBfG). Ziel des TzBfG ist es, die Teilzeitarbeit in Deutschland zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern.

In manchen Fällen kann das Recht auf Arbeitszeitverkürzung auch über Tarifverträge oder individuelle Arbeitsverträge geregelt werden. Es ist daher wichtig, dass Beschäftigte sich über ihre Rechte und Möglichkeiten informieren und gegebenenfalls mit ihrem Vorgesetzten oder einer Arbeitnehmervertretung sprechen, um dafür eine geeignete Lösung zu finden.

Was es mit der Arbeitszeitverkürzung noch zu beachten gilt

Erwerbstätige, die ihre Arbeitszeit freiwillig verkürzen wollen, sollten neben allen positiven Effekten auf ihre Work-Life-Balance stets auch die Folgen bedenken, die damit einhergehen können. Hier die vier wichtigsten Punkte:

  1. Weniger Einkommen: Eine Verkürzung der Arbeitszeit kann in der Regel auch zu einer Reduzierung des Gehalts führen, da ein Arbeitnehmer nun weniger Stunden arbeitet und entsprechend weniger verdient. Besonders für Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen oder für solche, die auf das Gehalt angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, kann dies eine Herausforderung sein.
  2. Geringere Sozialleistungen: Die Höhe der gesetzlichen Rente ist unter anderem davon bestimmt, wie lange man erwerbstätig war und wie viel man insgesamt verdient hat. Wer sich hier freiwillig einschränkt, muss entsprechende Einbußen bedenken. Natürlich kann jeder auch individuelle Lösungen suchen, um eine mögliche Versorgungslücke im Alter aufzufangen, beispielsweise über eine private Altersvorsorge oder den Erwerb von „Rentenpunkten“.
  3. Karrierebremse: Wenn Mitarbeiter weniger Zeit im Unternehmen verbringen, bekommen sie eventuell für sie wichtige interne Entwicklungen und Entscheidungen nicht mit. Besonders Führungskräfte und High Potentials könnten strategische oder personelle Entscheidungen verpassen. Das kann sich auf die Karriere auswirken.
  4. Weniger soziales Miteinander: Kommunikation ist wichtig im Unternehmen, selbst der „Flurfunk“ hat aus sozialer Sicht seine Berechtigung. Mit weniger Präsenzzeit haben Mitarbeiter oft auch weniger Gelegenheit, Kontakte zu Kollegen und Kunden zu pflegen und sich auszutauschen. Arbeitgeber können dem Bindungsverlust entgegenwirken, indem sie informelle Runden etablieren, die alle Mitarbeiter

Inzwischen gibt es sogar Diskussionen, ob die übliche Fünf-Tage-Woche überhaupt noch zeitgemäß ist. Arbeitnehmer, die langfristig motiviert, gesund und leistungsfähig bleiben, sind bei der aktuellen Arbeitsmarktlage wertvoll für jedes Unternehmen. Besonders in stark fordernden Berufen – zum Beispiel Pflege, Medizin, Rettungsdienst, Unterricht, Polizei, Feuerwehr oder Bauwirtschaft – ist dies eine Überlegung wert.

Mit der Digitalisierung könnten in Zukunft zudem etliche standardisierte Aufgaben und Arbeitsabläufe im Betrieb automatisiert werden, so dass Arbeitskraft freigesetzt wird. Dem steht die demografische Entwicklung mit sinkenden Geburtszahlen gegenüber, deretwegen Politiker immer längere Erwerbsjahre zugunsten der Rentenstabilität befürworten. Dennoch, der Wunsch nach alternativen Arbeitsmodellen ist da und der Trend zur Teilzeit lässt sich kaum noch aufhalten.