Karriere im Mittelstand

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Als „Motor der deutschen Wirtschaft“ wird der Mittelstand sehr gern in den Medien bezeichnet. Nicht ohne Grund, denn die KMU, die kleineren und mittleren Unternehmen in Deutschland, sind eine echte ökonomische Kraft. Startups, Soloselbstständige, freie Berufe und Handwerksbetriebe zählen dazu, außerdem Dienstleister wie Kanzleien und Agenturen, Energie- und Wasserversorger, Handel, Hotel- und Gastgewerbe, herstellende und verarbeitende Unternehmen, Transportwesen und Logistik und weitere Branchen.

Darunter sind etliche „Hidden Champions“: Unternehmen, die in ihrem Marktsegment oder in ihrem Sektor führend sind, aber im Vergleich zu Konzernen wie Siemens, Mercedes-Benz oder Bosch meist auch weniger bekannt. Viele sind in Nischenmärkten tätig und haben sich auf bestimmte Produkte oder Leistungen spezialisiert. Viele betreiben B2B-Geschäft, wie Beratung, IT-Services, OEM-Fertigung, Zwischenhandel oder Zulieferung.

Mit einem derart breit gefassten Spektrum an Branchen und Betriebsarten gilt der Mittelstand naturgemäß auch als Jobmotor der deutschen Wirtschaft, mit guten Chancen für den Berufseinstieg und die berufliche Weiterentwicklung.

Arbeiten in attraktiven Branchen und Feldern

Nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) zählten 2020 rund 3,35 Millionen Unternehmen zu den KMU, das entspricht rund 99 Prozent aller Unternehmen. 2021 waren es laut Statistischem Bundesamt bereits 99,4 Prozent, darunter 82,9 Prozent Kleinstunternehmen: Zusammen stellten sie 55,1 Prozent aller abhängig Beschäftigten.

Den akuten Fachkräftemangel in der Wirtschaft bekommen die kleineren und mittleren Unternehmen massiv zu spüren. Vielfach fehlt es an Unternehmensnachfolgern, an Auszubildenden, an spezialisierten Kräften und an Frauen nicht nur, aber besonders auch in Führungspositionen. Auch die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft verlangt nach neuem Know-how und nach Fachkräften, welche die erforderlichen Transformationsprozesse in den Unternehmen anstoßen und umsetzen.

Umso gesuchter sind die Kandidatinnen und Kandidaten, die alle diese Lücken füllen können. Die Maßnahmen im Recruiting werden entsprechend immer kreativer: Sie erstrecken sich von Jobbörsen und Karriereportalen über speziellen Jobmessen für den Mittelstand und Inhouse-Events bis hin zu den sozialen Medien. Die Reichweite der sozialen Medien und speziell von Business-Netzwerken wie Linkedin und XING kann helfen, das Employer Branding zu stärken, indem Betriebe sich gezielt regional und zielgruppenspezifisch vernetzen und mit Videos und Blogbeiträgen mehr Einblick gewähren und Aufmerksamkeit sichern.

Sieben gute Gründe, die eine Karriere im Mittelstand attraktiv machen

Dennoch: Mancher Berufseinsteiger fragt sich, ob nicht eher die Großindustrie der sicherere und resilientere Arbeitgeber wäre – angesichts der zahlreichen globalen Krisen. Doch von Pandemie- und Kriegsfolgen, Lieferkettenschwierigkeiten, Rezession und Inflation sind alle Unternehmen gleichermaßen betroffen. Vielmehr spricht für den Mittelstand, dass die Wertschöpfungskette in den Unternehmen meist kürzer ausfallen als bei den Big Playern in der Industrie. Man kann noch sehr unmittelbar mitbekommen, wie das Endprodukt entsteht, wohin es geschickt wird und wie seine potenziellen Käufer ticken. Das gibt der eigenen Arbeit auch viel mehr Sinnhaftigkeit.

Angesichts der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation hat man auch gute Chancen, mit entsprechenden Qualifikationen schneller aufsteigen zu können. Auch die folgenden Aspekte sprechen für eine Ausbildung oder eine Beschäftigung in mittelständischen Unternehmen:

  1. Dimensionen: Kleine und mittlere Unternehmen machen beeindruckende 99 Prozent aller Unternehmen in der Europäischen Union aus. Nach einer Definition der EU-Kommission zählen dazu Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und bis zu 50 Millionen Jahresumsatz. Das IfM sieht sogar Mitarbeiterzahlen bis 500 bei den mittelgrößeren Betrieben.
  2. Branchenvielfalt: Wie gesagt ist der Mittelstand ist den unterschiedlichsten Branchen und Sektoren vertreten. Darunter sind viele Tech-Startups, Einzelunternehmer, freie Berufe, Handwerk und Dienstleistungen, Hersteller, Verarbeiter und Zulieferer oder auch Felder wie der Maschinen- und Anlagenbau, der Fahrzeugbau, die Elektrotechnik, die Informations- und Kommunikationstechnologie oder der Handel.
  3. Stärken: Der Mittelstand ist für seine Innovationskraft, seine technologische Stärke und seinen Unternehmergeist bekannt. Laut IfM hatten kleinere und mittlere Unternehmen 2020 mit 7,68 Milliarden Euro einen Anteil von 8,2 Prozent an den gesamten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen des Wirtschaftssektors. Im Vergleich mit komplexen, schwergängigen Großkonzernen sind KMU oft viel agiler und reaktionsschneller aufgestellt. Das konnten sie zuletzt wieder in der Corona-Pandemie beweisen, wo sie große Flexibilität bewiesen und diverse Lösungen für die Märkte bereitstellten.
  4. Strukturen: Viele KMU-Unternehmen sind immer noch inhaber- bzw. familiengeführt oder als mittelständische Gesellschaften Großkonzerne mögen zwar Arbeitgeber mit globaler Ausrichtung und großem Renommé sein, doch ist man dort auch nur ein Mitarbeiter unter vielen Tausenden. Beständigkeit und durchaus auch Bodenständigkeit, flache Hierarchien, bei denen man die Chefs noch persönlich kennenlernen kann, eine gelebte Kundenorientierung, häufig auch ein nahezu familiärer Zusammenhalt – das findet sich eher bei den KMU-Betrieben.
  5. Internationalisierung: Viele mittelständische Unternehmen sind in internationalen Märkten tätig und unterhalten Geschäftsbeziehungen mit anderen Ländern. Der Exportumsatz der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland lag gemäß IfM 2020 bei rund 207,4 Milliarden Euro.
  6. Standort: Der Mittelstand ist stark regional verwurzelt und trägt oft wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung einer ganzen Region bei. Häufig arbeiten mehrere Generationen einer Familie in einem KMU-Unternehmen. Vielen Bewerberinnen und Bewerbern ist der Standortfaktor bei der Berufswahl besonders wichtig und sie suchen gezielt nach Arbeitgebern in der Nähe ihres Wohnortes. Damit müssen sie nicht umziehen oder längere Pendelwege in Kauf nehmen. Sie bleiben im Kontakt mit der Familie und Freunden und können bisherigen Freizeitaktivitäten weiterhin nachgehen.
  7. Soziale Verantwortung: Mittelständische Betriebe legen oft großen Wert auf soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit und engagieren sich in der Gemeinschaft, beispielsweise bei örtlichen Vereinen und kommunalen Organisationen oder in beruflichen Netzwerken einer Region.

Einer Karriere im Mittelstand steht lediglich entgegen, dass die großen Gehälter der Industrie hier eher selten gezahlt werden können. Dafür finden sich so viele andere Mehrwerte neben dem Gehalt, die bei Mitarbeitern heute nicht minder ins Gewicht fallen: mehr Einblick in alle Bereiche eines Unternehmens, mehr Verantwortung und kürzere Entscheidungswege, bessere Aufstiegschancen, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, kurze und mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad auch nachhaltig lösbare Arbeitswege, und bei aller regionaler Ausprägung oft auch internationales Geschäft – sowie eine solide Mitarbeiterbindung mit Beschäftigungszeiten bis hinein ins Rentenalter!