Arbeitsunfall im Homeoffice: Was gibt es zu beachten?

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2021 wurden in Deutschland neue Benchmarks gesetzt: So viele Menschen wie noch nie haben laut Statistischem Bundesamt in diesem Jahr von zu Hause gearbeitet. 24,8 % aller Erwerbstätigen waren gelegentlich im Homeoffice, 10,0 % sogar an jedem Arbeitstag. Corona-Maßnahmen wie die 2021 geltende Homeoffice-Pflicht haben dazu geführt, dass sich dieser Anteil gegenüber den Vorjahren fast verdoppelt hat.

Die Pflicht ist längst wieder aufgehoben, nun wird das Homeoffice immer öfter freiwillig genutzt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer konnten während der Pandemie Erfahrungen sammeln und erleben, dass das Konzept funktionieren kann, wenn entsprechende Absprachen und Vorkehrungen getroffen sind. Auch die wachsende Digitalisierung der Arbeitswelt ermöglichte, dass Arbeiten zu Hause attraktiver wurde. Viele Unternehmen haben in die entsprechende technische Infrastruktur investiert, die es dazu braucht. Sie können damit zugleich den Forderungen ihrer Mitarbeiter nach mehr Flexibilität und Work-Life-Balance entgegenkommen. Doch mit den neuen Arbeitsplätzen fern vom Unternehmen ergeben sich auch versicherungsrechtlich relevante Aspekte, besonders wenn es zu einem Arbeitsunfall im Homeoffice kommen kann.

Abgrenzung: Homeoffice, Telearbeit und mobile Arbeit

Zunächst einmal die Begrifflichkeiten: Homeoffice findet in der Regel im Haushalt eines Arbeitnehmers statt, dazu können eben auch Keller- oder Dachgeschoss-Büro sowie Sitzplätze auf Balkon und Terrasse oder am Küchentresen gehören. Telearbeit ist eher eine Ausprägung von Homeoffice, weil dabei ganz konkret Informations- und Kommunikationstechnologie zum Einsatz kommt – wie PC, Tablet, Smartphone, Fax, Internetanschluss, WLAN etc.

Zwar werden beide Begriffe oft synonym verwendet, sind es aber nicht so recht. Einerseits könnte Homeoffice auch ohne Technologie möglich sein. Andererseits wird Telearbeit eher unter Aspekten der Arbeitsstätten-Verordnung (§ 2 Abs. 7 ArbStättV) betrachtet, welche arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Aspekte am Arbeitsplatz reguliert, also Einrichtung und Ausstattung des Arbeitsplatzes sowie gesetzliche Anforderungen an die Arbeitsbedingungen.

Wird eine Tätigkeit im Haushalt des Arbeitnehmers oder an einem anderen Ort (mobiles Arbeiten von einem beliebigen Arbeitsplatz ist die übergeordnete Bezeichnung dafür) ausgeübt, greift die gesetzliche Unfallversicherung in gleichem Umfang wie bei der Ausübung einer Tätigkeit an der Unternehmensstätte. Das gilt auch für die Mitarbeiter im Außendienst: Da diese häufig unterwegs sind, arbeiten sie oft „mobil“ in Kundenbüros, auf Baustellen oder an temporär gemieteten Arbeitsplätzen.

Was gilt als Arbeitsunfall im Homeoffice?

Mit Blick auf diese Entwicklungen haben im Juni 2021 neue Anpassungen der gesetzlichen Grundlagen für Versicherungsschutz mehr Klarheit gebracht: Grundsätzlich definiert § 8 Abs. 1 S. 3 im Siebten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VII) Arbeitsunfälle als „Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (die versicherte Tätigkeit)“. Derartige Unfälle sind demnach zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Als Gesundheitsschaden gilt dabei auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Rechtliche Unsicherheiten ergeben sich oft daraus, ob ein Unfall zu Hause oder unterwegs auch im Rahmen einer versicherten Arbeitstätigkeit stattfand. Auch hier geben die Neuregelungen sowie ein Urteil des Bundessozialgerichts aus Dezember 2021 mehr Klarheit. Maßgeblich ist eine „objektivierte Handlungstendenz“ zur Bewertung von Schuld und Haftung. Geprüft wird, ob der Mitarbeiter in diesem Moment tatsächlich eine für das Unternehmen wirksame Tätigkeit ausgeübt hat bzw. ob er sich beim Unfall bereits auf dem Weg zur Arbeit, also zu einem konkreten Arbeitsplatz befunden hat.

Dies greift auch bei Aufgaben, die mit diesen Tätigkeiten in Zusammenhang stehen: Arbeitsgeräte wie Drucker warten, dabei mit erforderlichem Werkzeug hantieren, Lagermaterial auffüllen, Material transportieren etc. Kein Versicherungsschutz besteht, wenn Verletzungen oder Gesundheitsschäden ohne Einwirkung von außen zufällig während der Arbeit auftreten.

Wo genau beginnt ein Arbeitsweg im Homeoffice?

Während die berufliche Tätigkeit im Homeoffice aus Versicherungssicht vielleicht noch relativ gut einzuschätzen ist, stehen besonders oft Wegstrecken zur Debatte, denn nach wie vor passieren die meisten Arbeitsunfälle eher beim Stolpern, bei Stürzen oder beim Ausrutschen. Erfolgte ein Sturz beispielsweise auf dem Weg zum Drucker im Nachbarzimmer? War dabei das Druckerkabel der Auslöser oder eher das Kabel eines nicht verstauten Bügeleisens? Führte die steile Kellertreppe tatsächlich hinunter zu einem Arbeitsplatz? Da in den eigenen vier Wänden private und dienstliche Bereiche nicht immer trennscharf sind, führte dies in der Vergangenheit zu vielerlei Streitigkeiten und Urteilen.

Hier hat die Neuregelung 2021 inzwischen bessere Bedingungen geschaffen: Anders als im Unternehmen waren die Wege zu Hause, um Trinken oder Essen zu holen oder zur Toilette zu gehen, bislang nicht versichert. Nun gilt: „Diese Unterscheidung lässt sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung mobiler Arbeitsformen nicht aufrechterhalten.“ Wer daheim und unterwegs arbeitet, hat den gleichen Arbeitsumfang und Arbeitsaufwand wie jeder andere , nur eben an einem anderen Ort. Das gilt auch für den Transport von Kindern im eigenen Haushalt zur Betreuung in der Kita oder zur Schule und wieder zurück. Das ist nun ebenfalls gleichgesetzt mit der entsprechenden Regelung für den Arbeitsweg zur Unternehmensstätte.

Für die Versicherung: Arbeitsunfälle gleich melden

Für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität beim Arbeiten ermöglichen möchten, empfiehlt es sich grundsätzlich, dazu ausreichend Informationen bereitzustellen. Ein schriftlicher Zusatz zum Arbeitsvertrag kann zudem arbeitsrechtliche Vereinbarungen festhalten, die es zu beachten gilt. Kommt es dennoch zu einem Unfall, sollte der Arbeitgeber schnellstmöglich informiert werden. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass der zuständige Versicherungsträger informiert wird. Jeder Arbeitsunfall, ob im Unternehmen oder im Homeoffice, der zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen führt, muss der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse gemeldet werden. Dazu muss der  die Krankschreibung seines Arztes einreichen, damit der Vorfall auch medizinisch dokumentiert ist.

Oft wird eine Vorstellung beim Durchgangsarzt (D-Arzt) erforderlich. Das kann ein Facharzt für Chirurgie mit Schwerpunkt Unfallchirurgie oder ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“ sein, der eine besondere Zulassung von den Landesverbänden der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) hat. Er ist für die Durchführung von Behandlungen nach Arbeits- und Wegeunfällen zuständig und wird tätig, wenn

  • ein Ausfall über den Unfalltag hinaus oder Arbeitsunfähigkeit die Folge ist,
  • eine entsprechende ärztliche Behandlung voraussichtlich über eine Woche andauert,
  • Heil- und Hilfsmittel zu verordnen sind,
  • es sich um eine Wiedererkrankung aufgrund von Unfallfolgen handelt.

Bei leichten Verletzungen können Unfallverletzte zur weiteren Behandlung auch an den Hausarzt weitergeleitet werden. Unfallverletzte speziell mit Augen- oder Hals-, Nasen-, Ohrenverletzungen können den entsprechenden Facharzt direkt aufsuchen oder werden dorthin überwiesen. In allen Fällen bleibt wünschenswert: eine gute Besserung und eine schnelle Erholung!